Mikronährstoffe im Ackerbau - Unterschätzt und doch essentiell

Prof. em. Dr. habil. Werner Bergmann

zuerst erschienen in der LOP-Ausgabe September/ Oktober 2010

Mangelerscheinungen durch Mikronährstoffmangel
Mangelerscheinungen durch Mikronährstoffmangel

 

Nährstoffe – Grundlage allen Lebens Diese Aussage bezieht sich nicht nur auf die allgemein in der Landwirtschaft seit Jahrzehnten gedüngten Makronährstoffe (N, P, S, K, Ca, Mg), sondern gleichermaßen und nicht minder wichtig auf die als Mikronährstoffe bezeichneten essentiellen Spurenelemente. Im Pflanzenbau sind dies vor allem Bor (B), Kupfer (Cu), Eisen (Fe), Mangan (Mn), Molybdän (Mo) und Zink (Zn). Weiterhin zählen noch Chlor (Cl), Cobalt (Co), Natrium (Na) und Nickel (Ni) dazu, auch wenn hier normalerweise kein Düngebedarf besteht. Im Hinblick auf die Tier- und Humanernährung sind Chrom (Cr), Fluor (F), Jod (J) und vor allem Selen (Se) noch lebenswichtig. Während der Makronährstoffbedarf der Pflanzenbestände im kg/ha-Bereich liegt und auf nahezu allen Kulturböden eine entsprechende Zufuhr über organische und/oder mineralische Düngung erfordert, werden von den Mikronährstoffen wesentlich geringere, nur im g/ha-Bereich liegende Mengen benötigt; allerdings nicht auf allen Böden. Sie spielen jedoch eine entscheidende Rolle beim Ablauf der das Leben von Pflanzen, Tieren und Menschen bedingenden Stoffwechselprozesse.

Bedeutung der Mikronährstoffe

Viele der mehr als 2.000 Enzyme des Zellstoffwechsels enthalten Mikronährstoffe in ihrem Grundgerüst, dem so genannte Apoenzym. Daneben sind sie vor allem auch wirksamer bzw. alleiniger Bestandteil der prosthetischen Gruppe, des Coenzyms. Weiterhin spielen sie als Aktivatoren und/oder Inhibitoren der enzymatischen Prozesse in den Zellen eine entscheidende Rolle. Seitens der Biochemie und Physiologie, die für diese Elemente Begriffe wie „Hochleistungselemente“ oder „Biokatalysatoren“ geprägt haben, wird daher den Mikronährstoffen im Stoffwechsel von Pflanze, Tier und Mensch eine große Bedeutung zugemessen. Hinsichtlich des Anbaues von Futterund Nahrungspflanzen wird von Welch und Graham (2004) gefordert, durch Züchtung und Selektion Sorten mit verbesserter Aufnahme und damit erhöhten Gehalten an Mikronährstoffen für den Anbau zur Verfügung zu stellen, da weltweit die Hälfte der Menschheit mit Mikronährstoffen unterversorgt ist. Lernschwäche bei Kindern (Zn-Mangel in Verbindung mit Vitamin B1- und B2- Mangel), erhöhte Krankheits- und Sterblichkeitsraten, geringere Arbeitsproduktivität und höhere Gesundheitskosten werden von den Autoren mit einer unzureichenden Nahrungsaufnahme von Mikronährstoffen in Verbindung gebracht. Im Pflanzenbau ist die ausreichende und ausgewogene Mikronährstoffversorgung der Pflanzen in Verbindung mit einer ausgewogenen K-Versorgung außerdem überaus wichtig für eine wesentliche Verbesserung der Trockenheits-, Frost- und vor allem Schädlingsresistenz der Pflanzenbestände. Mikronährstoffe zunehmend im Mangel Die Mikronährstoffe gewinnen im Ackerbau seit etwa 50 Jahren zunehmend an Bedeutung. Dies kann vor allem auf folgende Faktoren zurückgeführt werden:

  • Die Anwendung von Makronährstoff- Düngemitteln hat sich seit dieser Zeit erheblich erhöht. Dies war nicht nur verbunden mit einem zunehmenden Ertragsniveau, sondern bedingte auch einen höheren Mikronährstoff-Bedarf pro ha, verbunden mit höheren Entzügen an Mikronährstoffen.
  • Höchsterträge erfordern leistungsfähige Kulturpflanzensorten, die zur Ausschöpfung ihres Potenzials auch einen höheren verfügbaren Mikronährstoffbedarf in der Zeiteinheit haben. Das gilt vor allem bei auftretenden Stressbedingungen, wie z.B. für Bor und Mangan bei längeren Trockenperioden.
  • Durch Anwendung der immer konzentrierter gewordenen Makronährstoff- Dünger wurden und werden dem Boden im Vergleich zu früheren Jahrzehnten immer weniger Mikronährstoffe als Nebenbestandteile zugeführt. Man denke nur an die immer geringer gewordene Thomas-Phosphatdüngung, mit der u.a. Cu, Fe, Mn oder Co in nicht geringen Mengen dem Boden zugeführt wurden.
  • Die zunehmende Konzentrierung der Tierbestände bedingt, dass in reinen Marktfruchtbetrieben dem Boden keine Mikronährstoffe über Stallmist, Jauche oder Gülle wieder zugeführt werden.
  • Durch hohe Makronährstoff-Düngergaben wird das Ionengleichgewicht der Bodenlösung zu Ungunsten der Mikronährstoffe verschoben, wodurch ihre Aufnahme durch die Pflanzen beeinträchtigt werden kann (Aufkalkungen können zu B- und Mn-Mangel führen, hohe K-Gaben zu B-Mangel, hohe P-Gaben zu Fe- und Zn-Mangel, hohe N-Gaben zu Cu-Mangel, Bodenversauerung zu Mo- sowie für Mensch und Tier zu Se-Mangel).

Andererseits kann es aber auch durch Industrie- und Kraftwerk-Emissionen, Schweinegülle (Zn, Cu), Klärschlamm und Müllkomposte zu toxischen Mikronährstoffbelastungen kommen, was durch entsprechende Produkt-, Bodenund Pflanzenanalysen überwacht und damit von vornherein ausgeschaltet werden sollte.

 

Mannigfaltige Mangelerscheinungen

 Im Rahmen dieses Beitrages ist es nicht möglich, alle durch Mikronährstoffmangel induzierten Ernährungsstörungen und Resistenzminderungen bei Pflanzen, Tieren und Menschen mitzuteilen, so dass auf entsprechende Literatur hingewiesen werden muss. Dazu gehören u.a. Grundlagenwerke wie „Ernährungsstörungen bei Kulturpflanzen“ (Fischer Verlag, 1993) sowie „Mikronährstoffe in der Landwirtschaft und im Gartenbau – Bedeutung – Mangelsymptome – Düngung“ (Bundesarbeitskreis Düngung, 2007). Daher nachfolgend stichwortartig nur einige orientierende Hinweise zu Mikronährstoffmangel im Ackerbau:

  • Ein Mangel an Mikronährstoffen hemmt bzw. verhindert die Proteinsynthese. Dadurch reichern sich Aminosäuren und reduzierende Zucker an, verbunden mit verminderter Trocken- und Frostresistenz sowie erhöhtem Schädlingsbefall der Pflanzen.
  • Im Stoffwechsel von Mensch und Tier entschärfen Zn-, Cu- und Mn- Superoxid-Dismutasen sowie die Se-haltige Glutathionperoxidase die schädlichen Wirkungen „freier Radikale“, welche mit verschiedenen Zivilisationskrankheiten in Verbindung gebracht werden.
  • Mn, Zn und B reduzieren bzw. verhindern Brucellose.
  • Cu-armes Futter fördert Maul- und Klauenseuche.
  • Nach Primavesi (1966) kommen in Ländern mit einseitiger NPK-Düngung mehr Neurosen und Infarkte vor.
  • Bor-Mangel hat vielerlei negative Folgen. Er bedingt u.a. den Verlust der Apikaldominanz mit „Herzund Trockenfäule“ von Rüben und Sellerie oder auch das Sitzenbleiben des Rapses mit Hohlraumbildungen in Wurzeln und Stängeln sowie Stängelrissen. Das Wurzelwachstum zeigt sich struppig und stark reduziert, „Blütenwelke“ mit abnehmenden Erträgen bei Obstbäumen, „Weidenköpfe“ oder „Hexenbesen“ mit Durchrieseln der Gescheine bei Reben werden ebenso verursacht wie „Storchennestbildung“ bei Nadelbäumen. Ferner bewirkt B-Mangel Mehltaubefall von Raps, Getreide und anderen Pflanzen sowie einen verstärkten Befall mit saugenden Insekten. Weiterhin führt fehlendes Bor zum Gärungsstoffwechsel der Zellen ohne Ausdifferenzierung vermehrt gebildeter Zellen. Die Körnerbildung an den Spitzen der Maiskolben und Getreideähren ist ebenso verhindert, nicht selten nach Trockenperioden.
  • Bor verhindert gemeinsam mit Mg, Ca und Vitamin D Osteoporose bei Mensch und Tier.
  • Cu-Mangel beeinflusst die generative Entwicklung der Pflanzen. Beim Getreide führt das zu Spitzenwelke, Weißspitzigkeit, dem Einrollen junger Blätter, Weißährigkeit sowie Pollensterilität mit Körnerverlusten. Dies geschieht oft in Verbindung mit hohen NDüngergaben. Bei Laubbäumen kann „Spitzendürre“ und bei Nadelbäumen eine „Pendulaform mit Schlangentrieben“ beobachtet werden. Eine gestörte Ligninsynthese führt bei Getreide zu verminderter Standfestigkeit.
  • Bei Wiederkäuern fördert Kupfer die Milchproduktion und Knochenbildung. Die Rinder neigen weniger zum Krippenbenagen, zu Haarverfärbungen oder schweren zerebralen Störungen („Endemische Ataxie“).
  • Mn-Mangel führt bei Getreide zur „Dörrfleckenkrankheit“, bei Leguminosen zur „Braunherzigkeit“ der Samen. Bei Dikotylen zeigen jüngere Blätter Chlorosen mit grünem Saum um die Adern.
  • Mangan schützt die Energie produzierenden Mitochondrien in den Zellen, es fördert Hormonsynthesen und die Skelettbildung bei Mensch und Tier.
  • Molybdän ist Bestandteil des Enzyms Nitratreduktase. Ist der Nährstoff im Mangel, führt dies zur Nitratakkumulation und damit zur Störung der N-Verwertung und Proteinsynthese. Bei Blumenkohl zeigt sich dies beispielsweise in der Whiptail- (Peitschenstiel-) Erkrankung, „Drehherzbildung“ und Gelbfleckigkeit der Blätter.
  • Ein Mangel an Zink stört den Hormonhaushalt der Pflanzen, was zu „Kleinblättrigkeit“, Blattdeformationen, „Rosettenbildung“, gestauchtem Internodienwachstum, „Weißknospigkeit“, Minderung der Pollen- und Samenfertilität oder Hemmung der Verholzung führt. Auch der Maiszünsler bevorzugt Zn-arme Pflanzen.
  • Zink fördert die Insulinsynthese, hemmt Infektionen durch Grippeviren und verbessert die Wirkung von Nervenbotenstoffen, was u.a. eine bessere Lernfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen bedingt.
  • Der Zell- und Gewebestoffwechsel von Mensch und Tier wird von ca. 30 spezifisch wirkenden Selen- Proteinen positiv beeinflusst.

Abschließend ist daher die Aussage berechtigt:

„Ein Landwirt, der seine Böden ohne Kenntnis der verfügbaren Mikronährstoffe düngt, gleicht einem Schiffer, der ohne Kompass auf den Weltmeeren segelt.“ Denn liegen ein oder gar mehrere Mikronährstoffe in seinen Böden im Mangel vor, verschenkt er nicht nur Ertrag und Qualität der Ernteprodukte, sondern vermindert gleichzeitig auch die Resistenz seiner Pflanzenbestände gegenüber Trockenheit, Frost und vor allem gegen Schädlingsbefall. Boden- und Pflanzenanalysen zur Ermittlung der verfügbaren Mikronährstoffgehalte sowie die Kontrolle der sorten- und witterungsabhängig aufgenommenen wirksamen Mengen sind daher notwendige Voraussetzungen für eine ökonomisch und ökologisch verantwortungsbewusste und nachhaltige Landwirtschaft.

Literatur

Welch R.M., Graham R.D. (2004): Breeding for micronutrients in staple food crops from a human nutrient perspective. J. Experimental Botany 55 (396), 353–364.

Primavesi A. (1965): Biologische Ganzheitsforschung, Vortrag Bundesuniversität Santa Maria, Rio Grande do Sul, Brasilien. Kurzbeitrag erschienen (1966): Z. f. Pflanzenernährung, Düngung und Bodenkunde, 114. Band, Heft 1, 46–49.

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